Reisefieber

 

A. Reisefieber                                  (Heidrun Modes)

Cordoba, Die Stadt der Blumen................................ 3

Die verschiedenen Gesichter von Lissabon.................... 12

B. Ausgerechnet Israel–Leiden eines Wallfahrers (Hartmut Modes)

Der erste Tag oder aller Anfang ist schwer.................. 17

Der zweite Tag oder kein Grund zum Klagen................... 21

Der vierte Tag oder der langersehnte Geburtstag............. 25

Der siebente Tag oder der schwarze Schlamm.................. 28

Der elfte Tag oder das Land der Hopskühe.................... 31

Der letzte Tag oder der Leidensweg Jesus..................... 35

C. Trabantgeschichten                           (Heidrun Modes)

Melnik, die kleine Stadt.................................... 40

Rumänischer Kirschlikör gegen ungarischen Sekt.............. 49

Die Zigeunerinnen........................................... 52

Tokajer Wein aus der Ostslowakei............................ 57

Kosice, eine Stadt zum Bummeln.............................. 63

Der Hecht aus der Theiß..................................... 68

D. Rumänische Rhapsodie                         (Hartmut Modes)

Mein Freund Gigi............................................ 71

Siebenbürger Sachsen........................................ 77


Leseprobe

Die verschiedenen Gesichter von Lissabon

Lissabon  lockt mit seinen Straßenrestaurants im Zentrum der Stadt zum  Platznehmen.  In ihren Schaufenstern  werden vor allem Fische und Meeresfrüchte dekorativ ausgestellt. Wir  hatten die verwegene Idee,  uns ein Plätzchen zu  suchen,  um dort in aller Ruhe Mittagbrot zu essen. Am Rossio, dem großen Platz mitten im Zentrum der Stadt, der wegen seiner  gepflasterten  Mosaiken  bekannt  ist,   fanden  wir  nach längerem  Suchen  eine  Fischgaststätte,   die  auch  zu  unserem Geldbeutel passte.  Fischgerichte sind in Portugal sehr beliebt und preiswert und stehen deshalb auf allen Speiseplänen. Wir  versuchten einen Platz im Freien zu bekommen,  leider regnete es inzwischen. Viele Besucher drängten sich schon unter das Vordach aus buntem Markisenstoff.  Für uns wurde es schon schwierig,  dort noch  ein Fleckchen  zu finden.  Der Ober sah es,  wollte uns als Gäste auch nicht  verlieren und ließ deshalb alle anderen Besucher unter  dem Vordach noch enger zusammenrücken.

Sie taten es auch ganz selbstverständlich.  Bei uns wäre es sicher ein Problem geworden. Dann holte er einen Tisch und zwei Stühle aus dem  Regen,  wischte sie notdürftig ab und bat uns Platz zu nehmen. Die Lebensbäumchen und Wachholdersträucher,  die in den Holzkübeln zur  Begrenzung des Gaststättenkomplexes dienten,  wurden nun umgestoßen, so eng ging es schon zu. Wir  saßen  jedenfalls auch im Trockenen, konnten in  Ruhe  dem Mittagessen  entgegensehen  und  das  Leben und  Treiben  auf  dem Rossio, das trotz des Regens weiter pulsiert, beobachten. Der Ober brachte uns die Speisekarte,  wir gaben nach einiger Zeit unsere Bestellung auf. Waren gespannt, was kommen wird. Hier war es immer eine Überraschung,  denn ganz konnte man die Speisekarte nie entziffern. Wenn man eine englische oder  deutsche Übersetzung bekam, war sie unvollständig. Was aber kam, war noch lange nicht unser bestelltes Essen, sondern ein  10- bis  12-jähriges  Mädchen mit  langen  schwarzen  Haaren, buntem Kleid und barfuss.  Sie tauchte aus dem Nichts auf, blieb an  unserm Tisch stehen und spielte auf ihrer  Mundharmonika.  Man sieht diese Kinder hier oft in Straßencafes. Wir  hatten  uns vorgenommen,  keinen Escudo mehr  zu  geben. Kinder  erkennen  die Touristen von weitem und machen  sich  einen Sport daraus, ihnen Geld abzutricksen. Auch  jetzt sah man,  dass sich noch mehrere Kinder unter dem dicht besetzten  Vordach aufhielten und nur die Gelegenheit  abwarteten, etwas Geld zu kommen, so wie unsere Mundharmonikaspielerin. Das  Mädchen blieb an unseren Tisch stehen und spielte  immer  die gleiche Strophe.  Dabei sah sie uns mit ihren großen dunklen Augen an.  Wir  guckten  zuerst  von ihr weg,  die Gäste  am  Nebentisch amüsierten sich, sie kannten das Spielchen sicher schon. Da  die  Kleine uns aber ständig mit ihren  großen  Augen  bittend ansah,  bekamen wir ein schlechtes Gewissen und hatten Mitleid mit ihr.  Ich sagte zu Hartmut, vielleicht braucht sie doch etwas, hat sicher  schon lange nichts Richtiges zu Essen bekommen.  Er  holte ein  paar Geldstücke hervor und legte sie auf dem Tisch.  Als  das Mädchen das Geld sah, hörte sie auf zu spielen, steckte es schnell ein und verschwand in der Menge. Sie hatte gesiegt. Inzwischen kam unser Wein,  den wir nun in  Ruhe trinken  wollten. Da stand aber schon ein baumlanger Brasilianer in Jeans und buntem T-Shirt  neben  uns.  Auf seinem Kopf hatte er mehrere  Sonnenhüte übereinander getürmt, dadurch sah er noch länger aus. Über dem Arm trug er viele Ledergürtel. Er grinste uns von oben herab an und sagte "Bitte  schön!".  Dabei zeigte er auf seine Hüte und Gürtel.  Sofort machten wir ihm klar, dass man bei diesem Regen keinen Sonnenhut brauchte.  Das schien er einzusehen,  breitete  dann aber gleich alle seine Gürtel vor  uns aus und nannte zu jedem einen Preis. Eigentlich  brauchte  keiner  von  uns  einen neuen Ledergürtel. Da  er aber keine Anstalten machte,  weiter zu gehen,  dachte  ich laut, vielleicht könnte ich einen für meine Lederhose mitnehmen. Es war eine Idee zu laut,  er bekam es mit,  setzte nun alle seine Überredungskunst ein und zeigte mir alle Gürtel noch  einmal.  Ich wusste,  dass ich bei dem Spielchen verlieren würde,  So war es dann auch, ich kaufte einen Gürtel. Der  Brasilianer  grinste zufrieden,  bedankte sich  mehrmals  mit großer  Geste,  sammelte  seine Gürtel wieder zusammen und  suchte sein nächstes Opfer. Wir ärgerten uns, dass wir wieder nicht standhaft geblieben waren. Der  Ober brachte uns jetzt eine Vorspeise,  die  in  Portugal obligatorisch ist.  Hier am Rande von Europa gehen die Uhren etwas langsamer  ,  bevor das Hauptgericht kommt,  vergeht einige  Zeit. Damit  der Gast nicht ungeduldig wird oder gar vor Hunger am Tisch umfällt, bekommt er Brötchen, abgepackte Butter, Käse und Wurst. Wir  ließen es aber stehen, da wir  das Hauptgericht abwarten und auf unsere Linie achten wollten. Das  turbulente Treiben auf dem Rossio fesselte  uns  weiter.  Man konnte Menschen aller sozialer Schichten sehen und studieren. Da kam auch schon die nächste Besucherin an unseren Tisch, ein schwarzgekleidetes  altes Mütterchen,  dass uns bettelnd ihre  Hand hinhält.  Von  diesen Frauen gibt es viele in Lissabon.  Das Leben ist hier sicher nicht immer einfach für sie. Sie wohnen in kleinen Hütten   am   Stadtrand   und   bestreiten   einen   Teil    ihres Lebensunterhaltes  durch Betteln.  Die Altersversorgung vom  Staat ist sicher nicht so reichlich. Jetzt  wollten wir aber nicht mehr und schüttelten mit  dem  Kopf. Warum kamen eigentlich alle zu uns? Sie  sah  aber sofort,  dass  unsere Vorspeise noch auf  dem  Tisch stand, zeigte darauf und sah uns fragend an. Als wir nickten,  steckte sie schnell alles ein, bedankte sich und lief eilig davon. Vom Ober wollte sie nicht gesehen werden. Sie  hatte  es  klug angestellt,  denn sie wusste  sich  gleich  zu helfen. Ihr Mittagessen war damit für heute gesichert. Die alte Frau hat uns richtig Spaß gemacht. Dann kam auch endlich unser Essen. Jetzt hofften wir in Ruhe essen zu können. Ab und zu guckten wir doch einmal verstohlen zur Seite, ob nicht schon wieder jemand neben unseren Tisch steht.  Die Gäste in  unserer unmittelbaren Nachbarschaft hatten es auch  beobachtet und schmunzelten ein wenig. Anschließend tranken wir unseren Wein aus und bezahlten. Einen vierten Besucher  wollten wir heute nicht mehr, sicher standen  noch  einige  im Hintergrund.  Die Kellner  schafften  es nicht, sie von den Gästen fern zuhalten, wollten es wahrscheinlich auch nicht.